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Zur mangelnden Erstattungsfähigkeit von Vorverkaufsgebühren für abgesagte Veranstaltungen

Geschrieben von Irina Neschenz Kategorie

Die u. a. auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb spezialisierte 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat am 09.06.2021 entschieden, dass die AGB-Klausel einer Tickethändlerin zur mangelnden Erstattungsfähigkeit von Vorverkaufsgebühren für abgesagte Veranstaltungen unwirksam ist (Az. 37 O 5667/20).

Die Klausel schloss die Erstattung der Vorverkaufsgebühr bei Absage oder Verlegung von Veranstaltungen aus. Dies sollte unabhängig von der Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen gelten, also sowohl bei einer bloßen Vermittlungsleistung durch die Beklagte als auch beim Verkauf in Kommission.

Dies ist unwirksam, so die 37. Zivilkammer. Zumindest in den Fällen, in denen die Beklagte die Tickets auf Kommissionsbasis vertreibt, benachteilige die Klausel den Kunden entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben in unangemessener Weise. Da sie unterschiedslos für alle von der Beklagten ausgeübten Geschäftsarten gelten solle, sei die Klausel insgesamt und damit auch bei ihrer Verwendung im Rahmen der Eigenveranstaltungen und des Vermittlungsgeschäfts unwirksam.

Dem liegt nach den Ausführungen der Kammer Folgendes zugrunde:

Nach dem Geschäftsmodell der Beklagten kann ein Ticketverkauf für Veranstaltungen Dritter rechtlich auf zweierlei Weise ausgestaltet sein: als Vermittlung im Rahmen einer Handelsvertretung oder als Kommissionskauf. Mögliche Ansprüche des Kunden auf Rückerstattung des Ticketpreises wegen Absage oder Verlegung der Veranstaltung richten sich beim Kommissionsgeschäft ausschließlich gegen den Veranstalter. Indem die Klausel ausweislich ihres Wortlauts eine Erstattung der Vorverkaufsgebühr generell, und damit auch gegenüber dem Veranstalter, ausschließt, benachteiligt sie den Kunden unangemessen. Denn beim Kommissionskauf steht der Beklagten bei Erfüllung des Ausführungsgeschäfts mit dem Kunden ein Provisionsanspruch allein gegen den Veranstalter zu. Dies gilt auch für Leistungsstörungen aus der Sphäre des Veranstalters wie Veranstaltungsabsagen (§ 396 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. HGB). Durch den Ausschluss des Rückerstattungsanspruch in Höhe der Provision wird das Durchführungsrisiko insoweit vom Veranstalter auf den Kunden verlagert. Denn der Kunde hätte die Provision der seitens des Veranstalters beauftragten Beklagten damit auch im Fall der Verlegung oder Absage der Veranstaltung zu tragen, obwohl es sich dabei um einen Umstand handelt, der ausschließlich im Verantwortungsbereich und in der Risikosphäre des Veranstalters liegt. Diese Abweichung vom gesetzlichen Leitbild benachteiligt den Kunden unangemessen.

Ob die Beklagte den Rückforderungsanspruch in Höhe der Provision im Rahmen der Handelsvertretung zulässig ausschließen kann, hatte die Kammer nicht zu entscheiden. Die Beklagte darf jedenfalls in ihren Vertragsbedingungen keine pauschale Regelung treffen, mit denen sie Ansprüche gegenüber dem Veranstalter von vornherein ausschließt.

Die Klausel ist außerdem intransparent. Da die Höhe der Vorverkaufsgebühr beim Abschluss des Ticket-Kaufvertrages in vielen Fällen nicht gesondert ausgewiesen werde, könne der Kunde das wirtschaftliche Risiko, das sich aus dem in der Klausel angeordneten Ausschluss der Erstattungsfähigkeit ergebe, nicht abschätzen.

Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Insbesondere Äußerungen zur Rechtslage bei Verlegung von Veranstaltungen in der Frühphase der Corona-Pandemie durch die Beklagte seien zulässig, da diese zur Überzeugung der Kammer nur Rechtsmeinungen darstellten und nicht irreführend seien.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund

Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband. Anlass waren zunächst Beschwerden von Kunden darüber, dass die Beklagte im März und April 2020 Ticketkäufer bei coronabedingten Veranstaltungsabsagen auf Ausweichtermine verwiesen und eine Stornierung abgelehnt hatte. Außerdem haben Kunden beanstandet, dass bei der Rückabwicklung von Ticketkäufen durch die Beklagte Beträge unter Berufung auf die nun beanstandete AGB-Klausel einbehalten worden seien. Die Beklagte argumentiert, sie habe ihre Vermittlungsleistung beim Verkauf des Tickets erbracht, für die plangemäße Durchführung der gebuchten Veranstaltung sei allein der Veranstalter verantwortlich. Bei Rückabwicklungen der Ticketkäufe werde sie nicht für sich selbst tätig, sondern sie habe nur Dienstleistungen für den jeweiligen Veranstalter übernommen.

Das Urteil bedeutet nicht, dass die Beklagte alle Vorverkaufsgebühren erstatten muss. Es kommt maßgeblich auf die jeweilige Ausgestaltung der Verträge (u. a. Kommission, Vermittlung oder Eigengeschäft) an, ob eine solche Erstattung bei Wegfall der Klausel geschuldet ist (§ 306 Abs. 2 BGB) und gegen wen sich der Anspruch hierbei richtet.

Pressemitteilung vom 09.06.2021 - Landgericht München

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